Das Projekt “Corpus Medii Aevi” war der bildkünstlerischen Rezeption und Transformation antiker Kunst im Mittelalter gewidmet. Zwischen ca. 2009 und 2015 hat das Corpus Medii Aevi die Census-Datenbank um 167 Datensätze zur Rezeption der Antike in der bildenden Kunst des Mittelalters ergänzt.
Das Erbe der Antike war das gesamte Mittelalter hindurch ein wichtiger Referenzrahmen, doch anders als in der Renaissance war der Umgang mit den antiken Formen ein gänzlich anderer. Im Gegensatz zu den Dokumenten, die der Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance für die Renaissance verzeichnet, weisen die mittelalterlichen Beispiele des Corpus Medii Aevi oftmals sehr freie Bezüge zu ihren Vorbildern auf. Zahlreiche Beispiele von Antikentransformation im Mittelalter lassen sich in der Skulptur, vor allem in der Bauskulptur, beobachten. Die Faszination und Vorbildhaftigkeit antiker Skulptur wird etwa durch das Schaffen der Bildhauer des 11. und 12. Jahrhunderts in Spanien und Frankreich eindrücklich belegt. Insbesondere römische Sarkophage mit figürlichen Reliefs, die durch ihre Wiederverwendung überdauert haben und in Kirchen oder Klöstern sichtbar waren, wurden als Ideengeber genutzt und bereicherten die mittelalterliche Bildfindung.
Grabplatte für Friedrich von Wettin
Der sog. Spinario, die 73 cm hohe Bronzestatue eines sitzenden Jünglings, der sich einen Dorn aus dem Fuß zieht, war wohl seit der Antike durchgängig bekannt und erfreute sich als Motiv im Mittelalter größter Beliebtheit. Erstmals wird die antike Figur, die heute im Konservatorenpalast in Rom ausgestellt ist, in Quellen des 12. Jahrhunderts genannt. Benjamin von Tudela, der als Antikenliebhaber die Monumente Roms beschrieb, sah den Dornauszieher, den er als Absalom identifizierte, vor dem Lateranpalast. Wenig später bezeichnete Magister Gregorius die Statue in seiner Schrift „Über Wunderdinge der Stadt Rom“ [De mirabilibus urbis Romae] als „höchst lächerliches Standbild, das man Priapus nennt“ [… eneum simulacrum ualde ridiculosum quod Pria(pum) dicunt …]. Als Sinnbild des Heidentums vollzog diese Figur einen Siegeszug durch die mittelalterliche Skulptur und Buchmalerei. Auch der etwa 10 cm kleine Dornauszieher am Grabmal von Friedrich von Wettin im Magdeburger Dom findet in dieser Funktion seine Verwendung.
Projektleitung:
Prof. Dr. Horst Bredekamp, PD Dr. Stefan Trinks
Mitarbeiter*innen::
Prof. Dr. Claudia Rückert, Katrin Neumann, Kathleen Waack, Thomas Helbig, Kolja Thurner
Das Corpus Medii Aevi war ein Projekt des Adolph-Goldschmidt-Zentrums zur Erforschung der romanischen Skulptur.